Nach ersten Untersuchungen starb Muammar al Gaddafi durch Schüsse aus nächster Nähe in Kopf und Bauch. Nach anhaltender Kritik am Umgang mit dem Ex-Diktator verschob der Übergangsrat das Begräbnis.
Nach dem Tod des langjährigen libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi liegen die genauen Todesumstände weiter im Dunkeln. Nach Einschätzung eines Arztes starb der Ex-Diktator durch "Schüsse aus nächster Nähe in Kopf und Bauch". Ein Mediziner im Krankenhaus von Misrata, der Gaddafis Leiche untersucht habe, sei zu diesem Schluss gelangt, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Arabija. Dies könnte auf eine Hinrichtung nach der Gefangennahme hindeuten.
Die ursprünglich für Freitag geplante Beisetzung Gaddafis wird nun bis zum Abschluss von Untersuchungen zu den Umständen seines Todes verschoben. Das teilte ein Mitglied des Nationalen Übergangsrats, Mohamed Sajeh, mit. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag werde den Fall untersuchen. Gaddafis Leiche sei immer noch in Misrata, wohin sie nach der Eroberung von Sirte gebracht wurde.
Unterschiedliche Tötungsszenarien kursieren
Zuvor hatten verschiedene Versionen zum Tod des Diktators Verwirrung gestiftet. Ein Kämpfer der Nationalrats-Milizen, der nach eigenen Angaben bei Gaddafis Festnahme in Sirte dabei war, berichtete dem Nachrichtensender Al-Dschasira, dass sich Gaddafi nach einem heftigen Feuergefecht mit seinen Leibwächtern am Zugang zu dem Abwasserrohr, in dem er sich versteckt hielt, ohne weitere Schwierigkeiten festnehmen lassen hat.
"Wir übergaben ihn dem Sicherheitskomitee", führte der Milizionär Osama al-Tajib weiter aus. "Doch dann brach ein Gefecht zwischen den Gaddafi-Loyalisten und den Revolutionären aus." Gaddafi sei dabei durch Schüsse an Kopf und Brust getroffen worden. "Wir legten ihn einen Ambulanzwagen, ein Arzt machte Wiederbelebungsversuche, aber er starb."
Dschibril: Gaddafi hatte eine Waffe
Der Regierungschef des Übergangsrats, Mahmud Dschibril, sprach davon, dass Gaddafi bei einem Schusswechsel tödlich am Kopf getroffen wurde. "Als er gefunden wurde, war er bei guter Gesundheit und hatte eine Waffe", sagte Dschibril. Er sei anschließend auf einen Pickup gebracht worden. Als das Fahrzeug losfuhr, sei jedoch eine Schießerei zwischen Gaddafi-Anhängern und Gegnern ausgebrochen. Dabei habe Gaddafi einen Kopfschuss erlitten. Bis zu seinem Eintreffen im Krankenhaus in Misrata sei er jedoch am Leben gewesen.
Eine weitere Version lieferte die britische BBC: Milizionäre des Übergangsrates hätten in ersten Berichten erklärt, Gaddafi sei erschossen worden, als er zu fliehen versucht habe.
Video mehrt Hinrichtungsgerüchte
Die kursierenden Fotos und Videos widersprechen jedenfalls der offiziellen Version der Regierung. Videoaufnahmen, die von den arabischen Fernsehsendern El Arabija und El Dschasira ausgestrahlt wurden, zeigten Gaddafi nach seiner Festnahme lebend inmitten von Kämpfern des Übergangsrats. Er wirkte bereits verletzt und hatte Blut auf Gesicht und Schultern. Ein Kämpfer schien ihm eine Pistole an den Kopf zu halten. Ob er abdrückte, war nicht zu erkennen. Anschließend ist auf den Aufnahmen zu sehen, wie Gaddafi auf einen Pickup gezogen wird. Auf späteren Bildern ist Gaddafi tot mit einer Schusswunde im Kopf zu sehen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte eine Untersuchung der Todesumstände gefordert. Die neue Regierung müsse mit der "Kultur des Missbrauchs" unter Gaddafi vollständig brechen und Menschenrechtsreformen durchsetzen, die das Land bitter nötig habe, hieß es.
Gaddafi wird schnellstmöglich begraben
Kritik hagelte es auch am Umgang mit dem Leichnam Gaddafis: Nach einem Bericht der "New York Times" wurde die Leiche in Misrata von Hunderten Menschen angeschaut. Feiernde Soldaten der Übergangsregierung gaben unterdessen die Trophäen der Festnahme von Hand zu Hand weiter - Gaddafis goldene Pistole, sein Satellitentelefon, seinen braunen Schal und einen schwarzen Stiefel. Außer Gaddafi wurden auch seine Söhne Saif al-Islam und Mutassim getötet, wie das staatliche Fernsehen berichtete.