N24 vom 07.12.2011
N24 vom 07.12.2011
Moskau rüstet auf
Über 500 Festnahmen bei Wahlprotesten
Die russischen Sicherheitskräfte sind wie angekündigt energisch gegen Demonstranten in Moskau und Petersburg vorgegangen. Unter den 500 Festnahmen waren mehrere prominente Oppositionsführer.
Bei neuen Protesten gegen den Ausgang der russischen Parlamentswahl sind in Moskau und St. Petersburg mehr als 500 Menschen vorübergehend festgenommen worden. Allein in der russischen Hauptstadt führten Sicherheitskräfte 300 Regierungsgegner, aber auch Menschenrechtler und Journalisten ab, wie Polizei bestätigte. Die Kundgebungen waren nicht genehmigt gewesen. Nach Polizeiangaben warfen die Oppositionellen auch mit Glasflaschen auf Demonstranten der Kremljugend.

Unter den Festgenommenen waren auch mehrere prominente Oppositionsführer. Boris Nemzow, einer der Anführer der liberalen Oppositionsbewegung Solidarnost, wurde später aber wieder freigelassen.
Am Vorabend hatten 6000 Menschen in den größten Straßenprotesten seit Jahren gegen Wahlfälschungen in Moskau protestiert. Es gab etwa 300 Festnahmen, danach wurde ein Großaufgebot der Polizei in Moskau zusammengezogen, um neue Proteste zu verhindern. Die Staatsmacht stationierte Sondereinheiten des Innenministeriums an wichtigen Punkten in der Hauptstadt. Sie sollten unter anderem das Parlament schützen. Mehrere Oppositionelle erhielten wegen angeblichen Widerstands gegen die Polizei mehrtägige Arreststrafen.

Kremlchef Dmitri Medwedew wies Kritik an der Wahl scharf zurück. Es sei Sache der russischen Regierung und nicht internationaler Beobachter, aus möglichen Mängeln bei der Abstimmung die richtigen Schlüsse zu ziehen, sagte Medwedew bei einem Treffen mit Wahlleiter Wladimir Tschurow. "Als nächstes sagen sie uns noch, wie unsere Verfassung auszusehen hat", sagte der Präsident.
 
Clinton und Westerwelle fordern Aufklärung
In der litauischen Hauptstadt Vilnius nannte US-Außenministerin Hillary Clinton am Rande eines OSZE-Treffens die Wahl "weder frei noch gerecht". Bundesaußenminister Guido Westerwelle forderte Russland auf, den Hinweisen auf massive Wahlfälschungen nachzugehen. Zuvor hatte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Abstimmung als unfair bezeichnet.
"Der Aufmarsch der Truppen ist ein weiteres Beispiel für den Rückfall in alte Muster russischer Politik", kritisierte der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Andreas Schockenhoff (CDU). "Russland braucht kein Zurück in die Vergangenheit, Russland braucht eine echte Modernisierung."
 
Opposition spricht von unrechten Urteilen
Die Wahlkommission hatte der von Regierungschef Wladimir Putin geführten Partei Geeintes Russland mit knapp 50 Prozent der Stimmen den Sieg bei der Wahl zugesprochen. In Moskau bejubelten 15.000 Anhänger der Kremlpartei den Erfolg vom Sonntag. Die Regierungsgegner hatten am Vorabend lediglich 6000 Menschen auf die Straße gebracht. Danach waren mindestens 300 Teilnehmer festgenommen worden.
Die Opposition in Moskau erhob schwere Vorwürfe gegen die Polizei. "Entgegen unseren Gesetzen darf kein Anwalt die Festgenommenen sehen", sagte der Kremlkritiker und frühere Vize-Regierungschef Boris Nemzow der Agentur Interfax. Unter den Festgenommenen waren auch der nicht zur Wahl zugelassene Oppositionspolitiker Ilja Jaschin und der bekannte Blogger Alexej Nawalny. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnete beide als politische Gefangene.
 
Putin vertraut auf "innere Reserve"
Putin forderte seine Partei auf, schnellstens auf die Probleme der Menschen einzugehen und die Verletzung von Menschenrechten zu verhindern. Putin kündigte für die Zeit nach der Präsidentenwahl am 4. März 2012, für die er von der Kremlpartei nominiert worden war, Erneuerungen im Machtapparat an.
Putins Sprecher Dmitri Peskow hatte zuvor in einem Interview mit dem russischen Dienst der BBC gesagt, dass die Menschen einen "neuen Putin" erwarteten. Der 59-Jährige wolle als "unabhängiger Politiker" wahrgenommen werden. "Er hat die innere Reserve, um die Lage im Land zu verbessern", sagte Peskow.
 
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